CO₂-Rechner für die Kultur
Wie funktioniert eigentlich ein CO₂-Rechner, und welcher passt am besten zu meinem Kulturbetrieb? Ich erkläre dir die Grundlagen und bewerte die gängigsten CO₂-Rechner für die Kulturbranche.
Wer angefangen hat, den eigenen Betrieb nachhaltiger zu machen, stellt schnell fest: Es gibt so viele Möglichkeiten, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Und vor allem: Welche Maßnahme ist am effektivsten und sollte gleich umgesetzt werden?
Um das herauszufinden, musst du wissen, in welchem Bereich dein Betrieb am meisten CO₂ emittiert. Vielleicht ist es die alte Heizung, die Anreise des Publikums, oder vielleicht lässt sich am fleischlastigen Catering etwas verändern. Doch wie misst man CO₂ eigentlich überhaupt?!
Eigentlich ist es gar nicht so schwer, denn du misst es indirekt. Eine Messgröße, wie etwa zurückgelegte Kilometer, wird mit einem Emissionsfaktor multipliziert, um die Menge der CO₂-Emissionen zu erhalten. Der Emissionsfaktor – in unserem Fall vielleicht „Zugreise“ – wird von einer offiziellen Stelle herausgegeben und jährlich aktualisiert.
Die offizielle Stelle ist in Deutschland zum Beispiel das Umweltbundesamt. Emissionsfaktoren werden von Wissenschaftlern in Berechnungen oder Experimenten erhoben, in denen Treibhausgase bei einer Aktivität wie Autofahren direkt gemessen werden. In Frankreich macht das die ADEME, in Großbritannien die DEFRA und in den USA die EPA. Auch private Unternehmen erheben und verkaufen diese Daten.
Es ist natürlich echt aufwendig, für jeden Posten einer Klimabilanz erst einmal den Emissionsfaktor zu recherchieren. Ein CO₂-Rechner kann dir diese Arbeit abnehmen, denn dort sind aktuelle Emissionsfaktoren in der Software hinterlegt, die für die Berechnungen abgerufen werden.
Super, wir wollen also einen CO₂-Rechner, der uns die Arbeit abnimmt. Aber wenn man danach googelt, gibt es so viele Ergebnisse!
Was macht einen guten CO₂-Rechner aus?
Der richtige CO₂-Rechner für dich ist der, der deinen Kulturbetrieb am besten abbilden kann. In einer Musikspielstätte oder einem Theater möchtest du vielleicht den Publikumsverkehr messen, als Musiker:in deine Tour, als Festival das Catering. Je nachdem, was wesentlich ist.
Kostenlose CO₂-Rechner
Es muss nicht immer viel Geld kosten. Einige Rechner sind durch öffentliche Gelder gefördert und können so kostenfrei angeboten werden. Dort bekommt man dann aber für gewöhnlich auch keinen Kundenservice, und manche Features können vermisst werden.
Ganz offiziell und ganz einfach: Umweltbundesamt Veranstaltungsrechner
Dieser offizielle CO₂-Rechner des Umweltbundesamts hat wirklich brauchbare Basis-Funktionen, die für viele Veranstaltungen ausreichend sind. Es ist möglich, neben Strom und Wärme und der Mobilität auch Werbe-Druckerzeugnisse und das Catering mitzuerfassen. Sogar an digitale Emissionen wurde gedacht, die bei hybriden oder Online-Veranstaltungen anfallen.
Dieser Rechner wurde von klimAktiv für das Umweltbundesamt entwickelt. Du kannst deshalb davon ausgehen, dass er längerfristig kostenfrei und verfügbar bleibt. Die Benutzeroberfläche ist nicht besonders ausgefeilt, aber sie funktioniert.
Viele Funktionen: Ecocockpit
Der Ecocockpit Rechner ist nicht speziell für die Kuturbranche entwickelt worden, und deckt auch viele Emissionsquellen der Industrie ab. Wer sich nicht von Begriffen wie „Technische Gase“ und der etwas unintuitiven Benutzeroberfläche abschrecken lässt, wird mit einer Fülle von Funktionen belohnt. Gerade für die Erfassung von Emissionen aus der Beschaffung oder Herstellung von z. B. Bühnenbildern gibt es viele Materialien zur Auswahl, und die erwähnten technischen Gase beinhalten solche, die aus Kühlkreisläufen bei Museen austreten.
Die Benutzeroberfläche für die Auswahl von Emissionsquellen ist strikt nach den drei Scopes des Greenhouse Gas Protocol (GHG) aufgebaut, was alles schön übersichtlich macht, wenn man die Scopes kennt. Wenn nicht, kann es auf den ersten Blick etwas verwirren. Es lohnt sich also, sich erst einmal zu informieren. Das Start-up Plan A hat einen schönen Artikel über die Scopes verfasst.
Dieser Rechner wird von der Effizienz-Agentur Nordrhein-Westfalen kostenfrei angeboten, die vor 25 Jahren auf Initiative des NRW-Umweltministeriums gegründet wurde.
Speziell für die Kultur: Creative Green Tools
Der CO₂-Rechner „Creative Green Tools“ wird von der britischen gemeinnützigen Firma Julie’s Bicycle entwickelt. Diese Firma ist über die Landesgrenzen hinweg bekannt für ihren Einsatz für mehr Nachhaltigkeit in der Kulturbranche. Der Rechner wird auch vom britischen Arts Council eingesetzt und Fördernehmer:innen vorgeschrieben.
Bereits über 5000 Organisationen in 50 Ländern haben mit dem Rechner CO₂-Bilanzen erstellt. Das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien arbeitet mit Julie’s Bicycle zusammen, um die Software auf den deutschen Markt anzupassen und zu übersetzen. Bisher ist der Rechner zwar verfügbar, aber noch in der Beta-Phase. Es gibt also keinen Kundenservice und keine Garantie, dass der Rechner nicht von heute auf morgen wieder verschwindet. Deswegen: Besser immer wieder einen CSV-Export machen und speichern!
Der Creative Green Tools Rechner ist speziell für die Kulturbranche entwickelt und kann viele Kulturbetriebe abbilden. Theater, Museen, Festivals, Touren, Bühnenproduktionen … es ist wirklich an viel gedacht worden. Allerdings fehlt die Möglichkeit von Berechnungen zum Catering.
Zu diesem CO₂-Rechner habe ich eine ausführliche Einleitung geschrieben, die du unter diesem Link findest:
Kommerzielle CO₂-Rechner
Viele Start-ups entwickeln kommerzielle CO₂-Rechner, da es im Bereich Carbon Accounting und generell in Clean Tech im Moment viele Finanzierungsmöglichkeiten gibt. Die Rechner richten sich allerdings meist an größere Unternehmen und sind dementsprechend teuer. Preise sind zudem überwiegend nur auf Anfrage erhältlich.
Wenn du jedoch das nötige Budget für einen solchen Rechner hast – meist über 2000 € jährlich –, bekommst du auch etwas für dein Geld! Tolle Bedienoberflächen, Kundenservice und Lernressourcen, schöne Bericht-Exports.
Die folgende Liste ist nicht komplett, und ich stelle nur die Rechner im Detail vor, die ich auch ausprobiert habe oder mit denen ich Kontakt hatte.
Vielseitig durch Module: Cozero
Ein Berliner Start-up, dessen Rechner man einfach online ausprobieren kann. Das modulare Prinzip, bei dem man über Bausteine eine Bilanz zusammenstellt, ist sehr ansprechend. Es gibt auch ein tolles Wiki voller nützlicher, allgemeiner Informationen.
Ab 99 € / Monat.
Ausgefeilte Funktionen, die ihren Preis haben: Sweep
Dieses Start-up aus Frankreich ist Europas Champion, was die Finanzierung betrifft. Bereits 100 Millionen Euro wurden in diese Firma investiert. Das Produkt hat sehr viele tolle Funktionen. Besonders die Werkzeuge für die Planung der Reduktionsstrategie über mehrere Jahre hat mich begeistert. Außerdem gibt es ein „Was wäre wenn?“-Werkzeug, mit dem man verschiedene Szenarien spielerisch durchrechnen kann. Was wäre, wenn man alle Flugreisen unter 1500 km Strecke durch Zugreisen ersetzen würde? Mit Sweep kann man den Einfluss solcher Entscheidungen schnell überschlagen.
Ab ca. 250 € / Monat.
Für Klima-Nerds: Climatiq
Dieses Berliner Start-up ist etwas für Techies. Sie bieten eine Application Programming Interface (API) an, mit der man Emissionsfaktoren für sehr viele Emissionsquellen abrufen kann. Die große Datenbank ist aber auch kostenlos und Open Source auf Github verfügbar, und kann als CSV-Datei heruntergeladen werden: https://github.com/climatiq/Open-Emission-Factors-DB
Bis 2000 API Datenabrufe / Monat kostenfrei, dann ab 3490 € / Jahr.
Da ist viel Wissen dahinter: Plan A
Bekanntes Berliner Start-up, das in ihrer Academy tolle Artikel über das Erstellen von CO₂-Bilanzen veröffentlicht. Leider ist das „Event Modul“ nur im Professional Plan enthalten und für viele wohl unerschwinglich.
Preise nur auf Anfrage.
Aus der Musikindustrie: Supercritical
Dieses britische Start-up ist von Entrepreneur:innen aus der Musikindustrie gegründet worden, die vorher das Unternehmen Songkick aufgebaut haben. Obwohl der Rechner nicht speziell für die Kulturbranche entwickelt wurde, hat man dort sicher ein gutes Verständnis für unsere Belange.
Der Fokus von Supercritical liegt allerdings im Angebot von Carbon Removal Technologien auf einem Online-Marktplatz. Der CO₂-Rechner wird eher als Mittel zum Zweck mit angeboten, damit dann die unvermeidbaren Restemissionen über den Marktplatz kompensieren werden. Dennoch ein tolles Ziel, denn eine Kompensation durch Carbon Removal macht tatsächlich viel mehr Sinn als das Pflanzen von Bäumen. Allerdings sollte man natürlich zuerst Emissionen vermeiden.
Preise nur auf Anfrage.
Weitere kommerzielle CO₂-Rechner
Falls bei den oben vorgestellten CO₂-Rechnern nichts für dich dabei war, klicke dich gerne durch diese Liste. Wie du siehst, gibt es wirklich unzählige Rechner da draußen.
Normative
Emitwise
Carbon+Alt+Delete
Ecometrica
Atlas Metrics
Altruistiq
Tanso
Carbon Desktop
Codio Impact
Diligent
iPoint
Engie Impact
Footprinter
Fazit
Kostenlose Rechner können viel, aber sie bieten eine weniger geführte Benutzeroberfläche, und erfordern mehr Einarbeitungszeit. Auch fehlen manche Funktionen, um Emissionen von komplizierteren Betriebsabläufen abbilden zu können.
Auf der anderen Seite stehen kommerzielle CO₂-Rechner, die immer noch recht teuer sind. Ich gehe aber davon aus, dass der Preis in den kommenden Jahren stark fallen wird, weil auf diesem Markt eine Konsolidierung einsetzen wird und sich einige „Gewinner“ herauskristallisieren werden, die dann in starkem Wettbewerb stehen.
Der richtige Rechner für dich ist der, mit dem du deinen Betrieb am besten abbilden kannst, und für den du kein Vermögen ausgeben musst. Außerdem solltest du darauf achten, dass der Rechner verfügbar bleibt. Auf jeden Fall solltest du, nachdem du eine Klimabilanz erstellt hast, alle Ergebnisse exportieren und abspeichern.
Mehrere Rechner benutzen
Wenn ein kostenloser CO₂-Rechner deinen Betrieb nicht abbilden kann, gibt es die Möglichkeit, die Stärken mehrerer CO₂-Rechner zu nutzen. Dann ist die Ergebnisseite eines einzelnen Rechners jedoch nicht mehr aussagekräftig. Die Ergebnisse einzelner Kategorien können aber leicht in eine Excel-Datei übertragen werden. Dort bilden sie zusammen mit den Ergebnissen anderer Rechner eine Gesamtauswertung.
Auch haben Rechner wie die Creative Green Tools oder der Veranstaltungsrechner des Umweltbundesamts Felder für „Sonstige Emissionsquellen“. Dort kannst du das Ergebnis eines anderen CO₂-Rechners in einer bestimmten Kategorie einfügen, die dieser Rechner nicht berechnen konnte. Dann erscheint diese Kategorie auch in den Ergebnissen des Rechners und wird für alle Berechnungen berücksichtigt.