Nachhaltiges Hosting und Streaming: So verringerst du digitale Emissionen

Du hast eine Website, streamst oder schreibst Software, und möchtest nachhaltig sein? In diesem Artikel erfährst du, welche Möglichkeiten es gibt und worauf du achten musst.

Nachhaltiges Hosting und Streaming: So verringerst du digitale Emissionen

Nachhaltige Webseiten

Wir benutzen Webseiten jeden Tag, aber denken selten darüber nach, wie die Bits und Bytes den Weg zu unserem Bildschirm finden. Tatsächlich ist die »Cloud« nichts anderes als ein Computer, der irgendwo in einem Rechenzentrum steht und dir Daten schickt. Er ist aus Metall, Plastik und seltenen Erden hergestellt worden, und verbraucht Strom, solange er arbeitet. Eine der wichtigsten Dinge, die du also tun kannst, ist deine Website auf einem Cloud-Computer laufen zu lassen, der in einem nachhaltigen Rechenzentrum steht.

Es gibt zum Glück eine Reihe von »Green Hosting« Providern. Besonders gut zusammengefasst hat das (mal wieder) Utopia.de:

Grünes Webhosting: Lieber mit Ökostrom-Servern online gehen
In Deutschland schlucken Rechenzentren gut 2% allen Stroms. Besser also, wenn wir uns für grünes Webhosting entscheiden. Wo gibts das denn?

Mein Blog kommt aus einem Rechenzentrum der Firma Hetzner in der Nähe von Nürnberg. Auch dort verwendet man 100 % Öko-Strom und verwendet Hardware wieder, auch wenn diese Firma nicht in der Utopia-Liste vorkommt. Es lohnt sich, einfach mal bei eurem Lieblingsprovider nachzufragen – auch um zu signalisieren, dass die Nachfrage nach Green Hosting da ist.

Webseiten-Inhalte

Jedes Mal, wenn eine Website aufgerufen wird, lädt der Browser den Seiteninhalt herunter. Je kleiner die Datenmenge, desto weniger Emission entstehen. Bei der Gestaltung der Webseite solltest du deshalb darauf achten:

  • Bilder zu komprimieren
  • Keine Autoplayfunktion für Videos einzubauen
  • Seitenelemente nur dann zu laden, wenn sie wirklich gebraucht werden (sogenanntes »Lazy Loading«)

Mehr Tipps zur Webseitengestaltung findest du hier:

nachhaltiges-webdesign.jetzt | 18 Methoden helfen euch dabei.
nachhaltiges-webdesign.jetzt ist eine Sammlung von 18 Methoden zur Gestaltung von nachhaltigen Websites.

Ein gutes Tool, um die Nachhaltigkeit deiner Webseite dann einzuschätzen, ist der Website Carbon Calculator:

Website Carbon Calculator v3 | How is your website impacting the planet?
The internet consumes a lot of electricity. 416.2TWh per year to be precise. To give you some perspective, that’s more than the entire United Kingdom.

Falls du deine Website in Auftrag gibst, teile diese Ressourcen mit deiner Webentwicklerin oder deinem Webentwickler und knüpfe eine gute Leistung beim Website Carbon Calculator an eine Bonus-Zahlung.

Web-Apps

Web-Apps mit hohen Zugriffszahlen werden oft auf horizontal stark skalierbarer Cloud-Infrastruktur gehostet. Das bedeutet, dass die Rechenzentren größer sind, und Load Balancer Kopien auf verschiedene Standorte auf der ganzen Welt verteilen. Die beliebtesten Provider solcher Rechenzentren sind Google, Microsoft, und Amazon. Und in dieser Reihenfolge würde ich auch ihre Nachhaltigkeitsleistung bewerten. Wähle deinen Anbieter basierend auf deren Nachhaltigkeitsbericht:

Alle drei der großen Anbieter haben übrigens Werkzeuge herausgebracht, um die verursachten Emissionen direkt anzuzeigen. Eine Übersicht dieser Werkzeuge findest du hier:

Green Cloud: Emissionen unserer Cloud-Architektur messen
Hochverfügbarkeit, Skalierung, geringe Kosten – aber wie können wir die verursachten Emissionen unserer Cloud-Architektur messen?

Musikstreaming

Mit Musik-Downloads verhält es sich genauso wie mit Webseiten: Emissionen fallen immer dann an, wenn Daten abgerufen werden. So kommt es, dass heute mehr Emissionen durch Musikstreaming verursacht werden, als LPs und CDs es jemals getan haben – trotz Plastik und Logistik. Das hat eine Studie 2019 herausgefunden.

Wie können wir diese Emissionen verringern? Es sieht nicht so aus, als würde das Interesse an Musikstreaming in Zukunft weniger werden. Es muss also besser werden – durch geringere Datenmengen (z. B. durch bessere Komprimierung) und weniger Datenübertragung (durch Offline-Caching und Downloads statt Streaming). Wichtig ist es jedoch auch, dass die Streaming-Anbieter ihre Rechenzentren mit Ökostrom betreiben.

2021 habe ich mich im Rahmen einer kleinen Recherchearbeit für Music Declares Emergency mit den Umweltkosten von Musikstreaming beschäftigt. Ich las veröffentlichte Nachhaltigkeitsberichte, aber vor allem fragte ich bei den Anbietern nach, mit welchem Strom sie ihre Rechenzentren betreiben.

Spotify veröffentlicht seit 2017 jährlich einen Sustainability Report. Seit 2019 laufen alle Server über Googles Cloud Infrastruktur. Dadurch, dass Google diese Rechenzentren mit 100 % erneuerbaren Energien betreibt, ist auch Spotifys Rechenzentrum relativ klimaneutral.

Youtube Music nutzt natürlich auch Googles Cloud Infrastruktur, die seit 2017 100 % mit erneuerbaren Energien betrieben wird.

Apple Music veröffentlicht keine Unterlagen. Selbst Freunde von mir, die bei Apple arbeiten, konnten mir nichts über die Apple Music Rechenzentren sagen. Jedoch will das ganze Unternehmen Apple bis 2030 klimaneutral sein. Was das konkret für Apple Music bedeutet, lässt sich Stand heute nicht sagen.

Amazon Music lässt sich bis 2040 Zeit mit der Klimaneutralität, die Anstrengungen des Unternehmens sind intransparent und halbherzig. Dort nutzt man die Cloud Infrastruktur bei Amazon Web Services (AWS), die nach eigenen Angaben seit 2018 mit über 50 % erneuerbaren Energien betrieben wird.

Tidal und Pandora haben keinerlei Unterlagen zur Nachhaltigkeit veröffentlicht und haben meine Anfragen erhalten, aber bewusst ignoriert.

Deezer veröffentlicht mit Verweis auf die Unternehmensgröße keine Unterlagen zur Nachhaltigkeit, antwortete aber auf meine Anfrage, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema sei und interne Gespräche zur Veröffentlichung bereits laufen. Deezer soll 50 Tonnen CO₂ durch die Optimierung von Prozessen in ihrem Rechenzentrum eingespart haben. Außerdem soll Nachhaltigkeit ein wichtiges Ziel bei der Neugestaltung des Pariser Unternehmensstandortes gewesen sein.

Musikstreaming-Provider sollten allerdings nicht nur auf deren ökologischer Nachhaltigkeit bewertet werden. Wichtig ist auch, dass Künstler:innen fair bezahlt werden. Keiner der Provider schneidet hier besonders gut ab. Am fairsten bezahlt werden Künstler:innen aktuell bei Tidal.
Ich rate daher, den ökologisch nachhaltigen Provider zu nutzen und deine Lieblingskünstler:innen durch Ticketkäufe, Patreon-Spenden etc. zu unterstützen.

Buchempfehlung

Wenn du dich tiefer mit diesem Thema befassen möchtest, kann ich das Buch »Decomposed« von Kyle Divine empfehlen.

Decomposed
The hidden material histories of music.Music is seen as the most immaterial of the arts, and recorded music as a progress of dematerialization—an evolution...

Wifi statt Mobilfunk

Die Emissionen des Streamings entstehen an drei Stellen: im Rechenzentrum, in der Übertragung durch die Netze, und auf deinem Endgerät. Besonders die Emissionen aus der Übertragung sind interessant, denn sie schwanken sehr mit der Übertragungsart.

Video-Streaming über kabelgebundene Netzwerke (Ethernet/WLAN) ist ein vielfaches effektiver als das Streaming über das Mobilfunknetz. Das Signal muss hier nämlich nicht am Funkturm in Funkwellen übersetzt und dann wieder empfangen werden. In dieser Grafik wird der enorme Unterschied sichtbar:

Quelle: Forschungsprojekt „Green Cloud-Computing“ (2020), Umweltbundesamt

Auch interessant ist, wie sehr sich das neue Mobilfunknetz verbessert hat: LTE ist um einen Faktor von 20 effektiver als UMTS.

Was bedeutet das für dich? Versuche, wenn möglich, stets WLAN statt Mobilfunk zu nutzen. Wenn du unterwegs Musik hören willst, lade dir die Tracks vorher auf dein Endgerät herunter. Falls du selbst Künstler:in bist, kannst du deine Fans auf Social Media darauf hinweisen.

Datenmengen klein halten

Je nach Effizienz eines Rechenzentrums liegen die Emissionen zwischen 105 Kilogramm und 153 Kilogramm CO₂-Äquivalenten pro Terabyte Speicherkapazität und Jahr (Umweltbundesamt).

💡
Um das mal in den Kontext zu setzen: Das sind für ein Terabyte Cloud-Speicherplatz ca. 0,4 kg CO₂ pro Tag, was in etwa den CO2-Emissionen einer Tasse Kaffee entspricht (CO2Everything).

Auch bei der Datenübertragung durch Streaming kannst du Emissionen einsparen, indem du die Datenmengen klein hältst. Wenn du auf einem kleinen Handybildschirm Netflix schaust, wähle doch die niedrige Auflösung, wenn es ohnehin keinen großen Unterschied macht. Das sind 10-mal weniger Daten als FullHD (300 MB gegen 3 GB). Der Grund dafür ist, dass bei  1920 × 1080 = 2.073.600 Pixel übertragen werden, während es bei 480 × 360 = 172.800 Pixel sind.

Nachhaltige Softwareentwicklung

Du bist Entwickler:in? Hier gibt es viel Einsparungspotenzial, aber das Thema würde hier den Rahmen sprengen. Dieser kostenlose Online-Kurs des Hasso-Plattner-Instituts könnte dich interessieren. Er wurde auf der Clean-IT Konferenz 2022 vorgestellt.
Dort lernst du auch, wie du effizienten Code schreibst, der keine unnötigen Schleifen beinhaltet und Hardware-Ressourcen bestmöglich nutzt. Das ist besonders bei rechenintensiven Vorgängen von großer Bedeutung.

openHPI: Erster Onlinekurs zu nachhaltiger Digitalisierung
Der Kurs gibt Teilnehmenden praktische Werkzeuge in die Hand, um selbst ressourcenschonende Software zu entwickeln.

Link direkt zum Kurs: https://open.hpi.de/courses/sustainablesoftware2022

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